Photos: © Ralf Gründer, Johannesburg, South Africa
Zu dieser Zeit war ich mehrmals in der Woche im Kippies, einerseits um die Musik zu genießen, andererseits, um Fotos von den Musikern zu machen. An diesem Abend hatte ich aber seltsamerweise kamerafrei und als ich mich durch die Menschen, die die ehemalige Viktorianische Toilette bevölkerten, hindurchzwängte, kam Hugh Masekela mir entgegen und fragte, ob ich zu meinem Foto gekommen bin? Das wars. Mir blieb nur zu erwidern: Nein; denn ich habe meinen Fotoapparat nicht dabei. Schnell hängte ich dem an, dass ich aber sofort nach Hause radeln meinen Apparat holen würde, wenn er nochmals spielen würde. Abgemacht! Ich also raus in die Nacht, rauf aufs Rad und quer durch Downtown zu meiner Wohnung im Chatham Court. Mit der umgehängten Kameratasche raste ich zurück und kam genau zum richtigen Zeitpunkt an. Hugh Masekela ging wieder auf die Bühne, um eine weitere Session mit Bayete zu jammen. Schnell hatte ich meine R 6.2 aufnahmebereit und begann, den Flügelhornisten zu fotografieren.
Hugh Masekela war mir bis dahin kein Begriff, denn der dem ANC nahestehende Musiker hatte vor über dreißig Jahren seine Heimat verlassen und im Exil gelebt. Dort war er auf Miles Davis gestoßen, der dem damals mittellosen Masekela ein Flügelhorn zur Verfügung stellte oder kaufte. Nach all den Jahren im Exil stand Masekela jetzt vor mir auf einer südafrikanischen Bühne und legte eine Performance an den Tag, die mich sprachlos machte. Insbesondere seine Version des Liedes „Stimela“, in dem er auch der Lead Vocalist war, war atemberaubend. Mit welcher Kraft er den Arbeiterzug, der zwischen Mosambik und den südafrikanischen Goldminen verkehrte und die Gastarbeiter zu ihren Arbeitsstätten tief unten in der Erde brachte, sang. Seitdem gehört „Stimela“ zu meinen Top-Lieblingssongs.
An diesem Abend war auch der FAZ-Korrespondent Robert von Lucius unter den Gästen, aber ich kann mich nicht erinnern, ob wir uns zu diesem Zeitpunkt schon kannten. Jedenfalls sprachen wir nicht miteinander und erst beim Lesen seines Buches Spuren des Schreibens (Seite 103) lernte ich, dass wir beide dieses historische Ereignis miterleben durften. Da die Jo´burger Pressefotografen diesen Termin verschlafen hatten, war ich der einzige Fotograf vor Ort und kam so zu meinem ersten veröffentlichten Foto. Die Weekly Mail brachte das Foto unter der Headline: Masekela - The musik you missed.
Tipp: Robert von Lucius: Spuren des Schreibens. Redakteur, Korrespondent, Autor, 265 Seiten, viele Abb., Wolff Verlag, ISBN 978 3 941461 43 7
Der Korrespondent schrieb (und fotografierte) für die FAZ. Aufgrund seiner guten Kontakte zu den Regierenden, den Oppositionen, Journalisten, Musikern und Künstlern eröffnet sich durch seine Artikel und Buchveröffentlichungen ein weiter Blick auf das Südafrika im Umbruch.